Humusaufbau im Ackerbau – Der Bodenverbesserer
Valentin Seiringer aus Wieselburg (Österreich), Ackerbauer des Jahres 2022 (Ceres Award), bewirtschaftet einen ökologischen Ackerbaubetrieb mit Schwerpunkt auf Humusaufbau. Da die Pachtflächen des Betriebs humusarm waren, entwickelte er ein Konzept, um die Böden des Betriebs wieder fruchtbarer zu machen.
Zu Valentins Konzept gehören:
- pflugloser Anbau
- flache Bodenbearbeitung
- und ein immergrünes Ackerbaukonzept.
Er versucht sich und seinen Standort auf aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel einzustellen.
Wir haben mit Valentin über den Humusaufbau und seinen Betrieb gesprochen.
Valentin war übrigens auch schon in unserem Podcast zu Gast, die ganze Folge findet Ihr hier bei Spotify: Hanf, Kompost & Koralin
„Mein Ziel ist es, den Wert der humusarmen Ackerflächen zu steigern; hat der Boden einen Prozentpunkt mehr Humus, so ist er mindestens einen Euro mehr wert.“
Valentin Seiringer
Das Interview
Humushaltige Böden können Wasser aufnehmen und Böden mit Nährstoffen versorgen – sie sind fruchtbar. Das bedeutet für mich, dass ich damit wirtschaftlich Ackerbau betreiben kann. Die Humusgehalte auf Bio-Marktfruchtbetrieben sind aber in der Regel erschreckend gering. Nur wenn die Fruchtfolgekonzepte Humus aufbauen und eine gute Bodenstruktur herstellen, können steigende Erträge erwirtschaftet werden.
Ich bewirtschafte heute zwei Betriebe mit ähnlichen Bodentypen, die in den letzten 25 Jahren völlig unterschiedlich bewirtschaftet wurden: Einer humusaufbauend (aktuell 4 Prozent) und einer humuszehrend (1,5 Prozent).
Bei gleicher Kulturführung liegen z.B. die Körnermaiserträge am aufgebauten Boden um rund 80 Prozent höher. Neben der Funktion als CO2 Senke steigert sich mit dem Humusgehalt auch Infiltration und Wasserspeichervermögen meiner Flächen. Somit werden Erosion und Überschwemmungen vorgebeugt und in trockenen Perioden Versorgungssicherheit gewährleistet.
Humusaufbau gelingt nur, wenn ich alle Parameter unter genauer Beobachtung habe. Das ist das Bodengefüge bei jeder Spatendiagnose, jede Kultur und Zwischenfrucht in ihrer Vegetation und Abreife und auch jedes Arbeitsgerät bei der exakten Einstellung.
Mein Vater hat eine Kompostieranlage – die zweitgrößte in Österreich. Das Ziel der Kompostanlage war immer der Humusaufbau im Ackerboden, da der Kompost drei positive Eigenschaften mit sich bringt:
- Dünger
- Mikrobiologie
- Rückführung von Nährstoffen
Dafür ist es aber wichtig, dass wir einen entsprechend hochwertigen Kompost produzieren. Die Rotte läuft kontrolliert ab und findet auf kleinen Mieten über zehn bis zwölf Wochen statt. Neben der Belüftung und Bewässerung der Mieten ist es für uns selbstverständlich, dass wir den mikrobiologischen Prozess genau überwachen.
Wir düngen auf unserem eigenen Betrieb seit 15 Jahren ausschließlich mit Kompost und verzichten auf jegliche Art von mineralischem Dünger. Das funktioniert bei einigen Kulturen wie Mais, Soja und Hanf sehr gut, bei anderen wiederum gar nicht. In diesem Jahr habe ich mich an Braugerste versucht – allerdings mit wenig Erfolg, da ich zu wenig Dünger für den Marktfruchtanbau habe.
Das soll sich aber in Zukunft ändern. Wir planen gerade eine Biogasanlage auf Basis von Reststoffen und Abfällen (Biomüll, Speisereste, Maisstroh, etc.). Die Anlage liefert den benötigen Dünger für Marktfrüchte in Form von flüssigen Gärresten, die festen Komponenten werden anschließend in der Kompostierung weiter veredelt.
Hier benötigt man Geduld. Realistisch sind Steigerungen um durchschnittlich 0,1 Prozent pro Jahr.
Ich habe ein immergrünes Ackerbaukonzept und keine feste Fruchtfolge. Das ist möglich, weil ich meinen Betrieb ökologisch und (noch) ohne Tierhaltung bewirtschafte. So komme ich in den Genuss aller Vor- und Nachteile:
- Zum einen habe ich keinen organischen Dünger zur Verfügung.
- Zum anderen muss ich aber auch kein Futter produzieren und kann bei der Anbauplanung sehr flexibel auf die Bodenverhältnisse reagieren.
Meine Hauptfrüchte sind Mais und Soja sowie Hanf. Als Winterbegrünung setze ich auf ein Gemenge aus Wicke, Roggen/Weizen/Triticale und optional Rüben oder Raps.
Die Alternative ist eine Untersaat aus einer Klee-Gräser-Mischung, die ich im Mais und bei Bedarf auch in der Leguminosen-Getreide-Winterbegrünung mit aussäe.
Ich bin zwar erst 24 Jahre alt, aber meine persönliche Lernkurve im Ackerbau war in den letzten Jahren sehr steil. Von meinen neu gewonnen Erkenntnissen stammen nur wenige aus rein eigener Innovation. Viele Konzepte und Ideen sind kopiert, auf den Betrieb adaptiert und zu einem Gesamtkonzept neu zusammengefügt. Mein Betriebskonzept stützt sich auf eine Vielzahl von Landwirten, Lehrern, Beratern, die ihr Wissen mit mir geteilt haben. In der Praxis habe ich bis zu 70 Versuche parallel laufen, die glücklicherweise von Studenten aus Wieselburg wissenschaftlich mit betreut und ausgewertet werden, um aussagekräftige und reproduzierbare Erkenntnisse zu gewinnen.
Auf meinem Betrieb ist es mir persönlich unglaublich wichtig auch meine Erkenntnisse zu teilen. Um Erfolge wiederholbar zu machen und Fehler zu dokumentieren, zeichne ich Maßnahmen und Kennzahlen sehr genau auf.
Bei der Einarbeitung von Zwischenfrüchten bzw. Untersaaten ist mir wichtig, dass ich nicht in den Festboden eingreife und nur die obere Bodenschicht (maximal 5 cm) bearbeite.
- Dazu wird die Winterbegrünung mit einer Kettenscheibenegge niedergemacht.
- Im Anschluss wird die grüne Mulchschicht weiter zerkleinert und mit Ackerboden vermischt.
Wichtig ist dabei, dass der Boden locker bleibt und keine „Schmierschicht“ entsteht, sodass Oberflächenwasser in den Boden einziehen kann. Das funktioniert mit (ultra-) flacher Bodenbearbeitung. Bei der Einstellung des Koralin habe ich darauf geachtet, dass die Scheiben tiefer arbeiten als die Flügelschare.
Eine Herausforderung bei den Untersaaten ist Deutsches Weidelgras mit viel Wurzelmasse für ein gutes Bodengefüge. Am besten wäre für die Einarbeitung der Pflug, doch mit ihm zerstöre ich den strukturbildenden Effekt der Untersaat wieder. Die Fräse wäre eine Alternative, doch die Flächenleistung ist zu gering. Bei anderen Maschinen mit guter Flächenleistung wie Kettenscheibenegge oder Grubber muss ich darauf achten, dass ich nicht zu tief fahre und Gras-Wurzel-Horste herausreiße, die wieder anwachsen.
Gegen Unkräuter setze ich Hacke und Striegel ein. Hier ist der Einsatzzeitpunkt entscheidend. Probleme bereiten Lichtkeimer. Hier hilft der Anbau von Winterungen für 1 bis 2 Jahre oder die dauerhafte Bodenbedeckung mit Untersaaten zur Unterdrückung der Unkräuter. Ein aktives Bodenleben sorgt für den Abbau der Samen.
Um Zwischenfrüchte/Untersaaten möglichst effizient zu nutzen, möchte ich Tierhaltung im Mob-Grazing-Verfahren integrieren. So produzieren auch Zwischenfrüchte ein hochwertiges Lebensmittel und werden von den Wiederkäuern ohne Bodenverdichtung perfekt für das Bodenleben vorverdaut. Momentan habe ich erste Versuche auf Grünland mit Masthähnchen und Angusrindern laufen. Für die Erfolge von Mob Grazing gibt es jedoch noch wenig fundierte sowie belastbare Erkenntnisse und Zahlen.
Die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Maßnahmen haben für mich eine hohe Priorität. Dafür werden Daten wie Traktor- und Arbeitsstunden erfasst – mit dem Ziel die Stundenzahl pro Hektar zu reduzieren. Zudem nutze ich die Möglichkeiten, die mir Precision bzw. Smart Farming bieten. Momentan versuche ich auf striktes Controlled-Traffic-Farming umzustellen.
Wichtig ist, mit dem Spaten auf den Acker zu gehen und sich den Boden genau anzuschauen – nur so bekommt man einen Überblick zum aktuellen Zustand.
Ein Tipp: Bodenproben nicht selbst ziehen, sondern einen Dienstleister beauftragen. So bekommt man „unverfälschte“ Ergebnisse. Dann heißt es nicht zu kompliziert denken, sondern ausprobieren.
Ein pauschales Konzept gibt es nicht, hier unterscheiden sich Regionen und sogar jeder einzelne Betrieb. Der einfachste Weg zum Bodenaufbau ist den Acker immer grün zu halten. Untersaaten sind kostengünstig und einfach.
Wer sich mehr zutraut, kann auf Sommerzwischenfrüchte oder winterharte Zwischenfrüchte setzen. Wichtig ist möglichst viel Pflanzenwachstum bei möglichst wenig Eingriff in den Boden.